Workshop-Wissen: 3 kreative Schreibübungen für Poetry Slam

von | Jan 2, 2020 | Workshop-Einblicke

Schreibübungen sind eine wundervolle Sache. Das gilt für Einsteiger*innen, die sich gerade an ihre ersten Poetry-Slam-Texte wagen und eine kleine Starthilfe gut gebrauchen können. Und ebenso für wahre Bühnen-Profis, um neue Inspirationen zu sammeln und das Feuer auch in weniger aktiven Schreibphasen am Leben zu halten. Wenn wir uns weiterentwickeln wollen, ist „einfach mal machen und am Ball bleiben“ oft die beste Einstellung. Deswegen sind hier drei meiner liebsten Übungen, die sich häufig in meinen Workshops wiederfinden und die ich zum Teil auch selbst regelmäßig absolviere:

Was genau ist eigentlich Poetry Slam? Das erfährst du in unserer Zusammenfassung:

Schreibübung 1: automatisches Schreiben / maschinelles Schreiben

Bei dieser Übung setzt du dir ein festes Zeitintervall von 10 bis 15 Minuten und schreibst einfach drauflos. Dabei gilt: Immer weiterschreiben, ohne den Stift abzusetzen oder eine Pause beim Tippen zu machen. Falls dir einmal nichts mehr einfällt, wiederholst du einfach so lange das letzte Wort, bis es von alleine weitergeht und die Gedanken auf das Blatt fließen. Und du stoppst erst, wenn der Wecker klingelt.

Diese Schreibübung ist perfekt, um den inneren Kritiker und Perfektionisten auszuschalten und zu schauen, was gerade an Gedanken in dir schlummert. Du schaffst gewissermaßen einen Zugang zu deinem Unterbewusstsein und kannst dir so manchmal auch über wichtige Vorgänge in deinem Gefühlsleben bewusst werden. Ein bisschen wie bei einem Tagebucheintrag, nur dass du nicht bloß über Geschehnisse, sondern über alles Mögliche schreiben kannst. Wichtig ist nur, dass du keinen Anspruch an diese Übung stellst. Denn erstmal geht es nur darum, überhaupt ins Schreiben zu kommen. Der Prozess zählt und die Übung ist selbst dann erfolgreich, wenn der ganze Text anschließend in die Tonne wandert. Deswegen sage ich in Poetry-Slam-Workshops immer vorab, dass meine Teilnehmer*innen nicht vorzulesen brauchen. Sonst denkst du nämlich schon beim Schreiben viel zu viel darüber nach, was von deinen Gedanken wirklich aufs Papier kommt. Deswegen: Einfach runter damit und aussortieren kannst du später immer noch.

Variationsmöglichkeiten

Je nach Gefühl gebe ich in meinen Workshops manchmal vorher eine Minute Zeit, um Gedanken zu sammeln. Das hilft vor allem dann, wenn du mit dem automatischen Schreiben gleichzeitig schon erste Inspirationen zu einem bestimmten Thema finden möchtest. Außerdem kannst du mit der Länge der Übung experimentieren oder dir einfach eine Mindestanzahl an Wörtern oder Seiten als Ziel setzen. Das funktioniert natürlich dann am besten, wenn du auf dem Computer oder Tablet schreibst und so die Zahl der Wörter leichter überprüfen kannst.

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Automatisches Schreiben als Gewohnheit

Als ich in einem Uni-Seminar das erste Mal mit dieser Übung in Berührung gekommen bin, habe ich das maschinelle Schreiben gehasst. Und inzwischen ist es meine absolute Lieblingsübung, die ich in abgewandelter Form fest in meinem Alltag verankert habe: Jeden Tag schreibe ich auf diese Weise einen Text mit mindestens 1.000 Wörtern. Um im Flow zu bleiben. Das ist mitunter ganz schön anstrengend – dafür hat sich die Arbeit mehr als ausgezahlt. Neben einer flüssigeren Schreibe sind auf diese Weise schon ganze Poetry-Slam-Texte entstanden. Mit nur rund einer Stunde Arbeit – inklusive Überarbeitung! Ein überwältigendes Gefühl, wenn du sonst Tage und Wochen an deinen Texten feilst. Und auf einmal fließt da ein Herzensthema einfach so aus dir heraus und hört sich dann auch noch echt gut an. Schon verrückt!

Natürlich sind das eher Ausnahmen und hunderte von Texten sind nicht weiter zu gebrauchen (und mir stellenweise sogar ein bisschen peinlich). Aber wie gesagt: Ergebnisse sind Bonus. Mir tut allein das regelmäßige Schreiben auf diese Weise unglaublich gut. Und oft sind zumindest ein paar coole Gedanken dabei, die ich an anderer Stelle einbauen kann.

Die fünf besten Poetry-Slam-Texte auf Deutsch

Wir haben eine Auswahl mit den fünf besten Poetry-Slam-Texten für dich zusammengestellt. Mit Video-Links.

Schreibübung 2: Was ich liebe / Was ich hasse

Nimm dir einen Moment, um darüber nachzudenken, was du besonders liebst oder was du wirklich hasst. Dabei kannst du dich für eines von beiden entscheiden oder beide Seiten miteinander kombinieren. Denn manchmal gehen Liebe und Hass ja auch Hand in Hand. Und dann fängst du an, deine Gedanken einfach herunterzuschreiben – entweder als eine Art Liste oder es entsteht sogar direkt schon eine kleine Geschichte daraus. So oder so: Ruckzuck hast du einen ersten Text fertig, der sich zum Vorlesen in der Runde eignet und vielleicht auch schon für die Bühne.

Diese Schreibübung kombiniere ich sehr gerne mit dem automatischen Schreiben, weil sie die Frage nach dem Thema direkt beantwortet. Wir alle haben wohl mehr als genug, was wir hassen und was wir lieben. Und ist die Schleuse erst einmal geöffnet, kommt ganz schön viel heraus und bietet mehr als genug Gedanken, um locker 10 bis 15 Minuten mit Schreiben zu füllen. Das Ergebnis kann dann superlustig sein oder in eine emotional bewegende oder gar politische Richtung gehen. Die Bandbreite ist groß, wodurch ich in den Poetry-Slam-Workshops immer neue Facetten kennenlernen darf.

Außerdem hilft diese Übung dabei, sowohl den eigenen Mut zum Schreiben als auch das Gemeinschaftsgefühl innerhalb einer Gruppe zu stärken. Denn meist kennen die anderen die Situationen, die wir beschreiben, selbst nur allzu gut und können sich deshalb super im Text wiederfinden. Ob nun Fahrten im übervollen Schulbus gehated werden oder Leute, die uns ständig etwas vormachen. Da zeigt sich schnell, dass wir mit unseren Gedanken nicht allein sind – und dass wir alle viel gemeinsam haben.

Variationsmöglichkeiten

Natürlich kannst du die Übung auch mit allen anderen Gefühlen ausprobieren. Da Liebe und Hass aber in der Regel am vielversprechendsten ist, würde ich das erst als Anschlussübung empfehlen, um mit anderen Emotionen zu experimentieren.

 

Poetry Slam für zu Hause

Lust auf Poetry-Slam-Texte zum Nachlesen? Hier findest du die besten Bücher von Poetry Slammer*innen:

Schreibübung 3: Was wäre, wenn … / eine Variable

Was wäre, wenn du eine einzige Sache auf dieser Welt verändern könntest? Dabei kannst du dir frei aussuchen, was diese eine Sache ist. Ob du plötzlich fliegen kannst oder eine andere Superkraft besitzt. Ob du plötzlich Kanzler*in bist oder ob Menschen automatisch immer die Wahrheit sagen. Ob du 10 Millionen Euro auf dem Konto hast oder ob es nie wieder Chemie-Unterricht gibt. Überleg dir eine Variable, die du gerne verändern würdest – und schreib dann einen Text dazu.

Hier ist es sinnvoll, sich etwas mehr Zeit zu geben – zum Beispiel eine halbe bis eine ganze Stunde. Das reicht für einen ersten Entwurf, an dem du später weiterarbeiten kannst.

Wenn ausreichend Zeit dafür da ist, bereiten wir den Schreibprozess in Poetry-Slam-Workshops etwas ausführlicher vor: Erst hat jeder eine Viertelstunde Zeit, um sich eine Variable zu überlegen. Dann setzen wir uns noch einmal in der Runde zusammen und besprechen die Ideen. So gibt es noch Inspiration aus der Gruppe und wir können zielsicherer ans Schreiben gehen.

Variationsmöglichkeiten

Ehrlich gesagt finde ich, dass diese Übung schon unglaublich viele Möglichkeiten bietet und es keine weitere Variation braucht. Aber fühl dich gerne frei, damit zu experimentieren – beispielsweise indem du weitere Variablen hinzunimmst oder indem ihr innerhalb einer Gruppe für eine andere Person bestimmt, über welche Veränderung sie schreibt.

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Und jetzt auf die Plätze, fertig, schreiben!

Ich hoffe, ich konnte dir mit den drei kreativen Schreibübungen ein bisschen neue Inspiration geben. Und bevor du dir zu viele Gedanken darüber machst, ob dir die Übungen wohl gefallen: Probier sie einfach aus. Anschließend merkst du ja ziemlich schnell, ob sie dich weiterbringen. Gerade beim maschinellen Schreiben hatte ich auch anfangs Hemmungen und fand die Übung doof – und mittlerweile hat sie mir ganz neue Möglichkeiten erschlossen. Falls du zweifelst, mach dir vorab bewusst, wie gering der Einsatz ist. Mit ein paar Minuten bis maximal einer Stunde tust du was für deine kreativen Fähigkeiten. Je öfter und regelmäßiger, desto besser.

Und noch ein kleiner Tipp zum Abschluss: Setz dir so oft wie möglich ein festes Zeitlimit fürs Schreiben. Denn dann arbeitet unsere Kreativität zielstrebiger und du kommst schneller zu einem ersten Ergebnis. Überarbeiten kannst du immer noch und solltest du beim Klingeln des Timers merken, dass du noch voll drin bist, machst du eben einfach weiter. Wie sehr das Zeitlimit hilft und was für erstaunliche Ergebnisse innerhalb dieser kurzen Intervalle entstehen können, habe ich oft genug in Workshops erlebt. Und auch fürs eigene kreative Schreiben setze ich gerne einen Timer ein. Das funktioniert bei Herzenstexten ebenso wie bei Textaufträgen.

Und jetzt viel Spaß beim Ausprobieren der Übungen!

Kleine Bitte zum Abschluss:

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Zwei meiner liebsten Buchempfehlungen, wenn du dauerhaft kreativ arbeiten möchtest auf Profi-Niveau:*

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