Filmrezension: Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling

von | Apr 6, 2020 | Rezensionen

Unter den deutschen Poetry Slammern hat Marc-Uwe Kling die wohl mit Abstand steilste Karriere hingelegt: Mit seinen „Känguru-Chroniken“* und den Folgebänden ist er seit 2009 voll durchgestartet und konnte seine Live-Lesungen schon bald in großen Sälen spielen. Und nicht nur das: Seine 2017 erschienene Dystopie „QualityLand“* erhielt nicht nur 2018 den Deutschen Science-Fiction-Preis für den besten deutschsprachigen Roman. Etwas später wurde auch bekannt, dass Mike Judge – Drehbuch und Regie unter anderem bei „Idiocracy“* und „Silicon Valley“*) – eine Serien-Adaption für den amerikanischen Fernsehsender HBO plant. Ach ja: Und natürlich ist das Känguru nun auf die große Leinwand gekommen. (Auch wenn der Kinostart durch die Corona-Krise schnell einer Heimkino-Premiere* weichen musste.)

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Erste Einschätzung – „Känguru-Chroniken“ von Dani Levy

Ich habe mir den Film natürlich angesehen, denn ich mochte die „Känguru-Chroniken“ schon, als ich mit Poetry Slam noch gar nichts am Hut hatte. Und ich bin offen gestanden ein bisschen hin- und hergerissen. Was Tatort-Regisseur Dani Levy („Alles auf Zucker!“, „Deutschland 09“) aus dieser Sammlung an Erlebnissen mit dem kommunistischen Känguru gemacht hat, ist zwar stellenweise arg überzogen und dadurch mitunter ein bisschen anstrengend. Und man kann sich darüber streiten, inwieweit man hier überhaupt mit den Büchern vergleichen möchte. Dafür ist der Film aber doch mit einigen echt coolen Ideen gespickt und alles in allem recht charmant geworden. Und wie man liest, hat die Premiere einen ordentlichen Start hingelegt und ist ziemlich schnell auf Platz 1 der Kinocharts gelandet. Kann man sich also durchaus geben.

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Von Eierkuchen zur Stadtteilrettung – was in den Känguru-Chroniken passiert

Alles beginnt mit ein paar Eierkuchen. Oder eher dem Versuch – denn der neue Nachbar von nebenan hat keine Eier mehr da und steht deswegen bei Marc-Uwe vor der Tür. Der holt trotz Migräne sofort hilfsbereit welche aus dem Kühlschrank. Nur klingelt es gleich noch mal, denn es fehlen auch noch Mehl, Milch, Pfanne und was man nicht sonst alles für Eierkuchen braucht. Also warum nicht gleich bei Marc-Uwe kochen? Und weil besagter neuer Nachbar außerdem ein kommunistisches Känguru ist, die Wohnung gegenüber nur besetzt hat und jetzt von der Polizei gesucht wird, zieht er direkt mit ein. Warum auch nicht?

Damit beginnt dann ein kleines WG-Abenteuer, das Marc-Uwe und das Känguru schließlich gar auf einen chaotischen Feldzug führt gegen den schmierigen Immobilienunternehmer Dwigs (gespielt von Henry Hübchen). Der will nämlich für sein wahnwitziges Bauprojekt mal eben die halbe Nachbarschaft plattmachen. Für einen riesigen „Europa-Turm“ als neuen Stützpunkt für die rechtspolitische „Unsere Heimat AG“. Das geht ja mal gar nicht – und schon gar nicht in Berlin! Nur logisch für ein kommunistisches Känguru und einen anarchistischen Klein-Künstler, dass sie diesen rücksichtslosen Anzugs-Fuzzi und Nazi in Personalunion zu Fall bringen. Die Frage ist hier nur wie. Aber da sind ja auch noch die abgebrühte Kneipenbesitzerin Hertha, die clevere Nachbarin Marie mit ihrem Sohn Jesus und die beiden türkischen Brüdern Friedrich-Willhelm und „Otto von“ unten vom Kiosk, die ihnen bei ihrem Vorhaben wacker zur Seite stehen.

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Kein Vergleich zum Buch …

Wenn man die Känguru-Bücher oder -Hörbücher bereits kennt, sollte man besser mit gemäßigten Erwartungen ins Kino gehen (oder ihn im Heimkino-Stream ansehen). Denn auch wenn ein paar Stellen wie der Anfang nahezu 1:1 übernommen wurden und die Dichte schlechter Wortspiele und Anspielungen ähnlich hoch sein dürfte, kommt der Film da leider einfach nicht dran. Ich selbst habe die Känguru-Bücher vor allem als Hörbücher gehört – und da hat Marc-Uwe Kling den Style einfach raus. Es wundert mich auch nicht, dass er als eher außergewöhnlicher Charakter in der Literaturwelt schnell auf den Bestseller-Listen gelandet war. Wer sich länger in der Poetry-Slam-Szene bewegt, weiß nur allzu gut, dass man sehr viel für die Bühne lernt und frischen Wind in andere Bereiche bringen kann. Nur jetzt sind da eben die „Känguru-Chroniken“ als Film nur noch eine „ganz witzige deutsche Komödie“ unter vielen. Und damit einfach nichts Besonderes mehr. Noch dazu mit einem animierten Känguru, das doch ein bisschen an „Ted“* erinnert (der aber erst nach dem ersten Känguru-Buch erschienen ist). Und Marc-Uwe ist eben nur noch als Rolle zu sehen – gespielt von einem Schauspieler. Was ich mir auch anders gewünscht hätte, auch wenn ich die Entscheidung verstehen kann.

 

… dafür hohe Punchline-Dichte & sympathische Unterhaltung

 

Das ist alles ein bisschen schade – aber: Davon ab ist der Film nach einer kurzen Eingewöhnungsphase doch recht charmant, hat sympathische Charaktere mit an Bord und trumpft mit so manch berauschendem Moment auf. Beispielsweise wenn das Känguru angeregt über die Flugbahn von französischen Bulldoggen sinniert. Oder wenn es sich vor Gericht verantworten muss, weil es einen Porsche in einen Pool gefahren hat. (Auf einer Dachterrasse!) Hinzu kommen chaotisch-komische Auseinandersetzungen mit einer Nazitruppe, ausufernde Therapie-Sitzungen mit alkoholischer Unterstützung und Frühsport mit einem allseits bekannten Orgelsolisten. Das Team hinter der Verfilmung hat sich also wirklich einiges einfallen lassen, um Stimmung zu machen.

Und auch wenn der Humor dabei sicherlich Geschmackssache ist, wurde bei meinem Besuch im Kino viel gelacht. Von daher am besten die Erwartungen ein bisschen runterschrauben und einfach genießen. Außerdem ein kleiner Tipp: genauer hinsehen. Denn mit ein bisschen Rundum-Blick gibt es im Setting einige coole Details zu entdecken. Damit macht der Film gleich noch ein bisschen mehr Spaß. Überzeug dich einfach selbst.

 

Die Känguru-Chroniken im Heimkino-Stream sehen …

Außerdem findest du hier gleich das passende Hörbuch und Marc-Uwe Klings Roman “QualityLand”:*

Mehr Filmrezensionen auf kinofilmwelt.de

Meine Rezension zu den Känguru-Chroniken habe ich übrigens ursprünglich für kinofilmwelt.de geschrieben – das Filmportal vom Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum. Gerade bei diesem Film hatte es nur so schön gepasst, weswegen ich meinen Text noch mal für unseren Blog umschreiben wollte. Ich hoffe, es hat sich für dich gelohnt. 🙂

Die erste Version der Rezension findest du hier. Außerdem kann ich dir nur empfehlen, in Ruhe in der Kinofilmwelt zu stöbern – denn da gibt es regelmäßig jede Menge schöne Empfehlungen von einem tollen Team. (Ich schreibe seit 2013 für das KJF und bin immer noch sehr froh darüber, dass sich das irgendwann einmal zufällig so ergeben hat.)

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