Wer auf Poetry Slam stößt, kommt im Grunde kaum an Julia Engelmann vorbei. Denn als ihr Text „One Day / reckoning“ Anfang 2014 zum viralen Hit wurde, bekam auch die Poetry-Slam-Szene auf einmal viel mehr Aufmerksamkeit als vorher. Das Format war damals schon recht verbreitet in Deutschland, doch plötzlich kamen viele neue Gäste zu den Slams und die Veranstaltungen wurden größer. Und viele von uns bekamen damals Nachrichten aus dem Freundes- und Bekanntenkreis von wegen: “Hier, schau dir mal das Video an. Voll gut!” Was innerhalb der Szene erstmal eher missmutig stimmte, denn Poetry Slam lebt eigentlich von der Vielfalt und lässt sich schwer einordnen. Aber nun hatten viele Menschen ein klares Bild vor Augen, wie Poetry Slam aussieht und sich anhört: wie Julia Engelmann. Das war gewöhnungsbedürftig, weil es so viele andere Charaktere und Facetten der Szene überlagerte. Nichtsdestoweniger war diese Aufmerksamkeit natürlich auch hilfreicht. Denn so konnten die Veranstaltungen wachsen und wir haben mittlerweile ganz andere Auftrittsmöglichkeiten als damals. Denkbar, dass das so oder so passiert wäre. Doch in jedem Fall hat der Erfolg von Julia Engelmann der Szene einen klaren Boost verschafft – ob man das nun gut oder schlecht finden mag.
Ist Julia Engelmann wirklich Poetry Slammerin? #
Im Grunde ist Julia Engelmann eine klassische Poetry Slammerin, denn sie hat ihren Stil innerhalb der Szene entwickelt und spiegelt eindeutig eine der Stilrichtungen von Poetry Slam wider. Nur ist sie mittlerweile gar nicht mehr innerhalb der Szene aktiv, sondern hat sich seit dem großen Erfolg weitestgehend von den Slam-Bühnen zurückgezogen. Stattdessen legt sie den Fokus auf eigene Shows und auf die Musik – und durch ihre Berühmheit liegen ihre Gagen auch viel zu hoch für normale Slams. Deswegen ist es eher schwierig, sie noch immer als aktive Slammerin zu bezeichnen. Aber ihren Ursprung hat sie ganz klar hier.
Ist Julia Engelmann eine gute Slammerin? #
Die Meinungen zu Julia Engelmann fallen sehr zwiespältig aus: Die einen finden es großartig, was sie macht, und können unglaublich viel aus ihren Texten mitnehmen. Die anderen wiederum finden die Texte zu banal und können damit nicht besonders viel anfangen. Und bedauern, dass sie so viel Aufmerksamkeit bekommt, während andere fantastische Künstler:innen kaum beachtet werden. Letztendlich lässt sich hier keine klare Aussage treffen und es kommt auf den persönlichen Geschmack an. Das, was Julia Engelmann tut, macht sie auf jeden Fall sehr gut – sonst wäre sie nicht so erfolgreich. Aber gemessen an Bühnenskills, Performance, Sprachkunst und Inhalt ist sie auch nicht besser als andere professionelle Poetry Slammer:innen. Nur eben mit einer steilen Bühnenkarriere, die man ihr erstmal nachmachen muss.